Jetzt mal etwas ganz anderes, ein Shift Objektive von 1961. Das Nippon Kogaku, ein Vorläufer der heutigen Nikkor Objektive.
Die einen werden sich Fragen wieso? Wieso kauft man sich ein so altes Objektive, wo es doch die neuen Shift PC Objektive direkt für die heutigen Vollformatkameras gibt?
Die Frage ist einfach zu beantworten, erstens, die neuen (PC / Tilt-Shift) sind mir zu teuer, zweitens, ich mag die alten Objektive aufgrund ihrer Qualität und Haptik, drittens, ich habe bereits diverse ältere Objektive von Nikon / Nippon Kogaku und bin von den überzeugt. Die alten sind eben keine einfachen Plastiklinsen.
Dann wollte ich wissen, wie schlägt sich so ein altes PC Shift Objektiv an meinen Nikon’s? Diverse Tests im Internet bescheinigen das 35 mm PC als ein gutes Objektiv, was aber erst ab Blende f/11 richtig scharf abbilden soll. Meine Erfahrungen mit anderen alten Objektiven haben mich etwas anderes gelehrt, das wollte ich jetzt wissen.
Ich habe etwas suchen müssen, um ein gutes Stück zu bekommen. Bei meiner Recherche hat sich herausgestellt, dass es zwei Versionen vom 35 mm PC Objektive gibt. Relativ häufig findet man das «35 mm f/w.8 PC-Nikkor», also ab Blende f/2.8. Haltet mich für bescheuert, denn normalerweise kaufe ich nichts über Blende f/2.8, aber in diesem Fall wollte ich explizit, das «35 mm f/3.5 PC-Nikkor» mit Blende f/3.5 haben!
Warum, keine Ahnung, irgendwie war das schwerer zu bekommen und es war eines der ersten, das f/2.8 war einfach die neuere Version.
Ich habe es dann für 299 € im Netz ergattert, der Preis war für mich angemessen, wenn die Qualität und zustand stimmt. Die Beschreibung war vielversprechend.
35mm f/3.5 PC-Nikkor – Shift von 1961 an „Nikon D850“
Als Erstes habe ich es an meine Nikon D850 geschraubt. Die ersten Bilder waren schnell gemacht. Ich habe erstmal ein wenig ohne zu «shiften» rum geknipst. Das Fokussieren mit dem Sucher ist schon schwierig, irgendwie waren alle Bilder nicht zufriedenstellend scharf. Auch bei Blende f/8 – f/16 waren alle Bilder etwas enttäuschend. Die Schärfe liess zu wünschen übrig!
Doch ein Fehlkauf?
Dann habe ich mit dem LiveView und es mit der Lupe / Ausschnittvergrösserung versucht. Die Bilder wurden besser, aber leider auch nicht das Gelbe vom Ei.
Hier ein paar Testbilder «Nikon D850»
Hier der direkte Vergleich > Links f/3.5 – Rechts f/11
(zum vergrössern aufs Bild klicken)
Hier ein paar Testbilder „Nikon D850“
Hier der direkte Vergleich > Links f/3.5 – Rechts f/11 in voller Grösse
(zum vergrössern aufs Bild klicken)
Ich muss sagen, das Bokeh bei Blende f/3.5 ist schon für eine solche alte Linse echt super!
Dann fiel mir meine Nikon Z7 ein, ich könnte es mal mit der versuchen. Ich hatte es schön öfters festgestellt, dass die alten Objektive an der neuen Nikon Z7 DSLM Kamera irgendwie bessere Resultate liefern.
35mm f/3.5 PC-Nikkor – Shift von 1961 an „Nikon Z7“
Die ersten Bilder waren gleich vielversprechend, so aus der Hand geknipst. Ab aufs Stativ damit und als Erstes mit dem E-Sucher und der Lupe / Ausschnittvergrösserung manuell fokussiert. Siehe da, die Ergebnisse waren erste Sahne, die Nikon Z7 holt aus den alten Objektiven richtig Schärfe raus.
Durch den E-Sucher mit dem Fokus-Peaking ist das scharfstellen einfach leichter, auch besser als mit dem LiveView!
Ich will nicht sagen es war eine Offenbarung, aber wenn man bedenkt, dass ein Objektiv von 1961 solche Bilder abliefert, kann man sich eigentlich nur noch wundern!
Hier ein paar Testbilder „Nikon Z7“
Hier der direkte Vergleich > Links f/3.5 – Rechts f/11
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Hier ein paar Testbilder „Nikon Z7“
Hier der direkte Vergleich > Links f/3.5 – Rechts f/11 in voller Grösse
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Hier der direkte Vergleich mit 300% vergrösserung > Links Nikon Z7 – Rechts Nikon D850
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Bedienung vom 35 mm f/3.5 PC-Nikkor – Shift
Das 35 mm hat einen doppelten Blendenring, also zwei, wofür das?
Es hatte etwas gedauert, bis ich herausgefunden habe, wie das mit diesen beiden Blendenring funktioniert. Wie gesagt es ist mein erstes Shiftobjektive und ich habe damit keine Erfahrungen bisher gehabt.
Mit beiden Blendenring kann die Blende verstellt werden, soviel ist sicher. Der erste Blendenring muss leicht nach unten gedrückt werden zum Verstellen und rastet dann an der entsprechenden Blende ein.
Der zweite kann einfach gedreht werden? Was?
Irgendwann dämmerte es mir dann doch, der erste Blendenring ist für die maximale Blende, der zweite ist für «von Blende f/3.5» bis zur Blende vom ersten Blendenring.
Beispiel: den ersten auf Blende f/16 arretieren und einrasten lassen, der zweite kann dann zwischen Blende f/3.5 bis max. Blende f/16 stufenlos gedreht werden. Stellt man den ersten auf Blende f/8 dann ist der zweite von Blende f/3.5 bis max. Blende f/8.
Wofür das Ganze? Dazu konnte ich mir bisher keinen Reim darauf machen, vielleicht habt Ihr eine logische Erklärung dafür, dann hinterlasst einfach eure Antwort in den Kommentaren oder schreibt mir einfach.
Das ganze Objektive kann um 360 Grad gedreht werden. Dadurch kann man hochkant oder quer «shiften». Hochkant ist ideal für hohe Gebäude, eine gerade Flucht ohne Verzeichnung oder schräge Kanten hinzubekommen. Quer shiften kann für Panoramen verwendet werden. Mit dem shiften kannst Du mit 2 Bilder auch ein einfaches Panorama erstellen, ohne die Kamera zu verschieben / zu bewegen. Sehr cool!
Hier ein Shift-Panorama im Querformat «Nikon Z7» mit 2 Einzelaufnahmen
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Hier ein Shift-Panorama im Hochformat «Nikon Z7» mit 2 Einzelaufnahmen
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Hier ein Shift-Panorama im Hochformat-Quer «Nikon Z7» mit 2 Einzelaufnahmen
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Historie zum 35 mm f/3.5 PC-Nikkor – Shift
Was bedeutet die Bezeichnung PC? Das «PC» kommt aus dem englischen und heisst soviel wie «Perspective-control lenses» also perspektivische Kontrolllinsen. Soll heissen, man kann die Perspektive anpassen. Das ist gerade in der Architektur-Photographie ein sehr wichtiges Hilfsmittel, um die stürzenden Linien im Bild perspektivisch gerade auszurichten.
Nikon erklärt, «Die Besonderheit des Objektivs besteht darin», dass seine optische Achse exzentrisch um die Bilderrahmenachse bis zu 11 mm verschoben werden kann, was nur bei grossen Sichtkameras möglich war und bei der Kleinbildkamera noch nie zuvor möglich gewesen ist. Da Nikon’s erstes PC-Objektiv bei späteren Nikon SLR-Kameras mit Messprismen nicht funktionierte, brachte Nikon 1968 eine neuere Version heraus, ein 35 mm f/2.8 PC-Nikkor. 1981 führte Nikon das 28 mm f/3.5 PC-Nikkor ein, das sich für die meisten Architekturfotos aufgrund seines grösseren Winkels als besser erwies.
Eine Liste der PC – Tilt-Shift Objektive findest Du hier > Wiki > Perspective control (PC) lenses
Gebrauchsanweisung – 35 mm f/3.5 PC-Nikkor – Shift von 1961
Die folgenden Seiten sind aus dem Nikon-Handbuch von 1963 für das weltweit erste Perspektive gesteuerte (PC-) Objektiv im Kleinbildformat (siehe oben), das 1961 35 mm f/3,5 PC-Nikkor.
FAZIT
Mein erstes kurzes Fazit und Eindruck zu der Linse, die ist echt cool und eröffnet neue Möglichkeiten bei meinen Arbeiten auf der Strasse. Die Farben und das Bokeh sind schon erstaunlich für eine derart alte Linse von 1961. Die Blende von 3.5 hat sich nicht als Nachteil erwiesen, obwohl ich keinen direkten Vergleich zum f/2.8 ziehen kann, finde ich.
Da man sowieso von einem Stativ aus Fotografieren sollte, stört mich die Offenblende von f/3.5 auch gerade nicht wirklich. Die Linse ist natürlich nichts für den schnellen Schnappschuss. Hier muss man schon mit Bedacht fotografieren. Aber ich muss sagen, dadurch dass die Farben und das Bokeh erstklassig sind, finde ich, könnte man das auch immer dabeihaben und nebenbei stürzende Linien gerade ausrichten, oder einfach für Panoramas mitnehmen. In Sachen Schärfe gibt es mit Sicherheit andere, die um einiges Knack schärfer sind!
Die Frage, die sich jeder stellen muss, brauche ich das? Oder ist der Bild-Look von so einem Schätzchen höher zu bewerten als das letzte Quäntchen Schärfe am Ende?
Ich habe keines der Testbilder bearbeitet. Die sind so aus der Kamera gekommen. Mit ein bisschen Nachschärfen in Lightroom und Photoshop kann man die Aufnahmen mit Sicherheit an die heutigen Objektive, was die Schärfe betrifft, näherbringen.
Bei den nächsten Städtereisen wird mein neues Schätzen auf jeden Fall dabei sein. Noch was zum Gewicht, es ist ein Leichtgewicht im Vergleich zu meinen anderen Objektiven, trotz der erforderlichen Mechanik zum «shiften»!
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Alle Inhalte © Laurenc Riese
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Hallo Laurence,
Ich hab Deinen Beitrag zu 35mm Schift-Nikkor gelesen. Hab lange mit dem fotografiert.
Deine Frage der zwei Blendenringe ist ganz einfach. Mit dem einen Ring stellt man die Blende fix ein, um zu sehen wie das ganze wirkt in Bezug auf Tiefenschärfe. Da man keine Springblende hat, ist es sehr praktisch, mit dem anderen Ring die Blende schnell zu öffnen um definitiv scharf zu stellen, und wieder die voreingestellte Blende zu wählen, und das alles ohne die Kamera vom Auge zu nehmen. Ich hab noch ein altes 28mm Schift von Nikon, und dort ist das genau so, übrigens mit der @7 ein Traumobjektiv. Freundliche Grüsse, Markus